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Chinesischer Rover Zhurong: Der Gott des Feuers ist auf dem Mars gelandet

Bisher hat es nur die NASA geschafft, heil auf dem Mars zu landen. Nun wagt auch Konkurrent China mit seinem Rover Zhurong einen Versuch. Berichten zufolge könnte das Gefährt Samstag aufsetzen.
Tianwen-1

Update: Der chinesische Marsrover ist erfolgreich gelandet. Mehr unter dem Link.

Es wirkt wie ein Dejà-vu: Eine Raumsonde koppelt hoch über dem Mars eine Landefähre ab. Geschützt von einem Hitzeschild bremst sie in der dünnen Atmosphäre, sinkt dann per Fallschirm zur Oberfläche und zündet kurz vor dem Aufsetzen ein Bremstriebwerk. Wenn alles gut geht, rollt wenige Tage später ein Roboter in den roten Sand. Nur stammt er diesmal nicht aus den USA, sondern aus der Volksrepublik China.

Schon am Samstag, den 15. Mai 2021 um 1:11 Uhr MESZ, soll es für die chinesischen Ingenieure und Planer der Mission Tianwen-1 ernst werden. Was erst in Foren zu lesen war, hat China schließlich bestätigt.

Wie ihre Kollegen von der NASA müssen sie die »Minuten des Terrors« durchstehen: Wegen der langen Signallaufzeiten zum zu dieser Zeit mehr als 200 Millionen Kilometer entfernten Mars können sie der vollautomatischen Landung nur zeitversetzt zuschauen. Bis die erlösende Meldung über den Touchdown eintrifft – oder auch nicht.

Zhurong wie der Gott des Feuers

Nur wenige Tage später soll der Zhurong-Rover, benannt nach dem Gott des Feuers aus der chinesischen Mythologie, dann offiziell seine Mission beginnen. Für wenigstens 92 Tage soll das Gefährt die Umgebung des Landeplatzes erforschen. Pro Stunde kann der Rover dabei bis zu 200 Meter zurücklegen.

Gelingt der Plan, wäre Zhurong das erste mobile Fahrzeug auf dem Roten Planeten, das nicht von der NASA stammt – und erst der sechste erfolgreich gelandete Marsrover überhaupt. Zwei Vorgänger von Zhurong fuhren 2013 beziehungsweise 2019 auf dem Mond herum, in letzterem Fall auf der erdabgewandten Seite unseres Trabanten.

Doch der Mars ist größer und vor allem viel weiter weg. Kurzum: eine noch größere Herausforderung. Das spiegelt sich unter anderem im angepeilten Zielgebiet wider. Es liegt im Süden der mehr als 3000 Kilometer weiten Tiefebene Utopia Planitia. Die vergleichsweise flache, mit Sedimenten bedeckte Landschaft nahe des Äquators gilt gewissermaßen als Anfängerterrain für Marslandungen – schon die NASA-Sonde Viking-2 setzte im Jahr 1976 hier auf. Andererseits ist die Region nicht ohne Reize: Radarmessungen der US-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter lassen vermuten, dass der Boden dort Wassereis enthält.

Tianwen-1

Folgerichtig ist eines der sechs Instrumente an Bord des Rovers ein Laser-Spektrometer, das die Gesteinschemie der Umgebung bestimmen kann. Damit will man unter anderem Tonminerale wie Chlorit und Kaolinit aufspüren, die sich einst im Zusammenspiel mit flüssigem Wasser bildeten. Ein Bodenradar schaut derweil bis zu 100 Meter tief ins Erdreich hinein und erkennt damit neben Gesteinsstrukturen auch mögliche Wasservorkommen. Hinzu kommen ein Magnetometer zur Messung lokaler Magnetfelder und eine Wetterstation, die sogar Geräusche aus dem für den Menschen hörbaren Bereich des akustischen Spektrums registrieren kann.

Der Hauptrechner kann den Rover völlig autonom steuern und ein vorgegebenes Programm abspulen lassen. Dabei navigiert das Gefährt mit Hilfe zweier identischer, an einem Mast befestigter Kameras. Sie können die Umgebung dreidimensional erfassen. Energie bezieht das Fahrzeug aus vier ausklappbaren Solarpanelen, ähnlich wie die 2004 gelandeten NASA-Rover Spirit und Opportunity.

Ein ferner Verwandter von Spirit und Opportunity

Insgesamt ergibt das einen Rover, der ein sehr umfassendes Bild seiner Umgebung zeichnen kann. Das wissenschaftliche Ziel ist, aus der Beschaffenheit und Zusammensetzung der Oberfläche und des Untergrunds Schlüsse auf Entwicklung und Klima des Planeten zu ziehen. Dabei geht Zhurong nicht so sehr ins Detail wie der zuletzt gelandete NASA-Rover Perseverance, der am Rand von Syrtis Major in einem ausgetrockneten Kratersee explizit nach Resten vergangenen Lebens sucht.

»Die Chinesen haben sich angestrengt, ein breites Spektrum an Instrumenten mitzunehmen«, sagt Bernard Foing, der als Wissenschaftler bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA bereits bei mehreren Missionen mit chinesischen Wissenschaftlern zusammengearbeitet hat. Das Laser-Spektrometer findet sich beispielsweise so ähnlich an Bord des 2012 gelandeten US-Rovers Curiosity sowie auf Perseverance, es gilt als neuester Stand der Technik. Hinzu kommt bei Zhurong ein Bodenradar, wie es noch nie zum Mars geflogen ist.

Was die US-Rover angeht, lässt sich Zhurong wohl am ehesten mit den Zwillingsrobotern Spirit und Opportunity aus den 2000er Jahren vergleichen. Mit seinen 240 Kilogramm ist er jedenfalls deutlich leichter als Curiosity und Perseverance, die jeweils mehr als viermal so schwer sind. »Die Instrumente auf dem Rover können dagegen durchaus mit denen von NASA und ESA mithalten«, sagt Foing.

Dennoch haben Europa und die USA in einigen Bereichen noch einen Vorsprung, findet der ESA-Wissenschaftler. Das gilt insbesondere für die Untersuchung von organischem Material, also Molekülen auf Basis von Kohlenwasserstoffketten, wie sie mit dem ExoMars-Rover der ESA geplant ist. Die Mission soll allerdings nach mehrfacher Verzögerung erst 2022 starten.

Im Wesentlichen ein Technologie-Demonstrator

Doch selbst wenn der chinesische Rover technologisch nicht ganz mit den amerikanischen Robotern vergleichbar ist: Seine Zielsetzung ist auch eine andere. Aus Sicht von Experten handelt es sich bei Zhurong im Wesentlichen um einen Technologie-Demonstrator. »Es geht dabei beispielsweise um Miniaturisierung und darum, komplexe Steuerungs- und Fernerkundungstechnik von Robotern zu erproben«, sagt Foing.

Zusätzlich musste sich China für die Mission eine eigene Infrastruktur zur Kommunikation ins Sonnensystem hinaus aufbauen. Während die zur selben Zeit gestartete Al-Amal-Mars-Mission der Vereinigten Arabischen Emirate das US-amerikanische Deep Space Network nutzt, versuchen die Chinesen sich von den bestehenden Kooperationen mit der ESA – und aus den damit verbundenen Abhängigkeiten – zu lösen.

In den vergangenen Jahren haben Ingenieurinnen und Ingenieure daher im ganzen Land ein Netz aus großen Parabolantennen aufgebaut, darunter eine 70-Meter-Anntenne nahe Peking. Außerhalb Chinas verwenden die Missionsplaner neben einer Bodenstation in Argentinien auch die Antennen auf dem Telemetrieschiff Yuanwang 6, das für gewöhnlich die Bahnen von Interkontinentalraketen verfolgt.

Dank des Upgrades der Funkarchitektur ist China nun in der Lage, eigenständig mit dem bis zu 400 Millionen Kilometer entfernten Mars zu kommunizieren. Kommandos erreichen dabei zunächst die Muttersonde Tianwen-1, die dem Rover aus einem hochelliptischen Orbit von 265 mal 12 500 Kilometern heraus als Relaisstation dienen soll.

Diesen Aufwand betreibt China nicht nur für die jetzige Marsmission. Sie ist lediglich eine Zwischenstation und Teil eines neuen Wettlaufs im All. Schon 2028 plant China laut Deep-Space-Roadmap des Landes Marsproben zur Erde zu holen. Das ist ausgerechnet das Jahr, in dem auch Amerikaner und Europäer ihre eigene »Mars Sample Return Mission« starten wollen. Sollte das Kunststück Peking gleichzeitig gelingen, würde die chinesische Raumfahrt der westlichen für jedermann ersichtlich auf Augenhöhe begegnen.

Dazu aber muss erst Zhurong sicher aufsetzen. Unabhängig davon dürften die Chinesen die Tianwen-1-Mission schon jetzt als Erfolg verbuchen. Nicht nur gelang es den Missionsplanern, die Sonde in Corona-Zeiten pünktlich im Juli 2020 mit einer Langer-Marsch-5-Rakete ins All zu schießen. Sie traf im Februar 2021 nach sieben Monaten Reise auch intakt am Mars ein und schwenkte dort in eine Umlaufbahn, einer der heikelsten Momente einer jeden Reise zum Roten Planeten.

Bereits jetzt hat Tianwen-1 von dort aus drei Monate lang mit sechs wissenschaftlichen Instrumenten Klima und Topografie des Planeten untersucht und mit einer hochauflösenden Kamera das Landegebiet sondiert. Auch nach dem Ende der Bodenmission soll der Orbiter weiter Daten sammeln und zur Erde funken.

Das ist auch deshalb ein Erfolg, weil China damit ein Malheur aus dem Jahr 2012 wettgemacht hat. Damals sollte eine Mini-Sonde des Landes huckepack mit der russischen Mission Phobos-Grunt zum Mars reisen. Ein Plan, der bereits in der Nähe der Erde scheiterte. Allerdings auf Grund eines russischen Fehlers: Wegen minderwertiger Teile klappte eine entscheidende Zündung nicht und die Sonde stürzte ins Meer. Dieses Mal haben die chinesischen Ingenieure immerhin eine Marsumlaufbahn erreicht. Gelingt auch die Landung, wäre es der bis dato größte Raumfahrterfolg der ambitionierten Nation.

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